Rat und Hilfe

Der Berufskraftfahrer – zwischen Romantik und Ausbeutung

Der Berufskraftfahrer – zwischen Romantik und Ausbeutung

Als Du Dich für den Beruf des Berufskraftfahrers entschieden hast, ahntest Du bestimmt nicht, dass es nicht nur darum geht, mit einem kraftstrotzenden Lkw wertvolle Ware von A nach B – vielleicht sogar international – zu transportieren. Je nachdem, bei welchem Unternehmen Du gelandet bist, wirst Du zunehmend auch mit immer mehr rechtlichen Fragen konfrontiert. Möglichst schnell und möglichst viel zu transportieren, ist häufig die Devise – denn Zeit ist Geld. Du fährst hart am Limit – die Geschwindigkeitsbeschränkung ist ein lästiges Übel, aber da Du sowieso nur selten kontrolliert wirst, kann man auch mal etwas schneller fahren. Überladung? Was kannst Du dazu, wenn der Auftraggeber das Fahrzeug überlädt – Du hast sowieso keine Möglichkeit, dies zu kontrollieren. Abfahrtskontrolle macht keinen Sinn – die Mängel am Fahrzeug hast Du schon mehrmals dem Chef gemeldet und nichts ist passiert. Ladungssicherung kostet Zeit, die man nicht hat.  Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten einzuhalten, ist Luxus, den keiner bezahlen kann. Das sagt nicht nur Dein Chef –auch Deine Frau und Deine Kinder wollen Dich zu Hause haben und wollen nicht, dass Du wegen einer einzuhaltenden Pause die Nacht nicht zu Hause verbringen kannst.

Na ja, das Geld könnte etwas mehr sein. Aber Dein Chef nagt auch fast am Hungertuch – sagt er jedenfalls. Und jeder weiß, dass die Billigunternehmen aus Osteuropa Deinem Chef das Leben schwer machen. Also heißt es, den Gürtel enger zu schnallen und froh darüber zu sein, überhaupt einen Arbeitsplatz zu haben. Aber irgendwann bist Du es leid. Das Geld reicht vorne und hinten nicht. Die Gesundheit wird auch immer stärker angegriffen. Und weil Du ab und zu zum Arzt musstest, ist auf einmal Dein Chef gar nicht mehr so freundlich. Die Familie mault, weil Du immer später nach Hause kommst und dann auch ziemlich kaputt bist. Der Chef fängt an, die Spesen und die Prämie wegen Kleinigkeiten zu kürzen. Und das Bußgeld wegen Nichteinhaltung von Lenk- und Ruhezeiten zahlt er auch nicht mehr.
Spätestens jetzt solltest Du wissen, was Deine Rechte und Deine Pflichten als Fahrer sind. Und wer Dir helfen kann, wenn es denn mal richtig dicke Probleme gibt.

Arbeitszeitvorschriften
und Ladungssicherheit

Selbst wenn Dein Arbeitgeber es Dir schriftlich gegeben haben sollte, dass er die Bußgelder übernimmt, ist er dazu nicht verpflichtet.

Als Berufskraftfahrer weißt Du, was hinter den Begriffen Lenk- und Ruhezeit, Wochenendruhezeit und Schichtzeit steckt. Deren Nichteinhaltung kann zu Riesenärger mit den Kontrollbehörden und zu Bußgeldzahlungen führen. Wer das Kontrollgerät nicht richtig bedient, begeht keinen Kavaliersdelikt – es ist eine strafbare Handlung. Also Vorsicht. Dass die Ladungssicherung ein notwendiges Übel ist, weißt Du als Profi. Auch dass Du Dich nicht darauf verlassen darfst, dass der Verlader alles richtig macht.

Denn du bist als Fahrer für die Betriebssicherheit Deines Fahrzeugs verantwortlich. Bei Unfällen mit Personenschäden, an denen du eigentlich überhaupt kein Verschulden hast, wird alles genaustens kontrolliert: von den Reifen bis zur Ladungssicherung, die Arbeits- und Ruhezeiten und ob das Fahrzeug überladen ist. Und wenn irgendwo etwas gefunden wird, könnte es sein, dass Dir als Fahrer eine Mitverantwortung an dem Unfall gegeben wird.

Bange machen gilt nicht – an einer Lösung arbeiten

Aber was tun, wenn dem Chef oder dem Disponenten das alles egal ist? Die Angst um den Arbeitsplatz macht dich handlungsunfähig. Zuerst solltest Du Dir im Klaren werden, was Du willst: Weiter ein Opfer des Gewinnstrebens – nicht anders ist es zu bewerten, wenn Du unter Druck alle gesetzlichen Vorgaben missachten sollst – sein, Deine Familie in Angst lassen, ob Du gesund nach Hause kommst oder ein selbstbewusster Fahrzeugführer, der weiß, was er kann, der arbeiten will und wertgeschätzt werden will.

Erste Maßnahme:

Das Gespräch mit dem Chef suchen. Mache ihm klar, dass Du im Zweifel von Deinem Lohn die Bußgelder zahlen musst, den Führerschein riskierst und vielleicht sogar mit einem Bein im Gefängnis stehst. Und weil Du Ernährer Deiner Familie bist, willst Du auch noch bis zur Rente Deinen Job ausüben können. Wenn der Chef nicht einsichtig ist, auf keinen Fall einfach kündigen: Oft sind in den Arbeitsverträgen für solche Fälle Vertragsstrafen vereinbart. Das könnte teuer werden. Deswegen

Zweite Maßnahme:

Rechtlichen Rat einholen. Fachkundige Gewerkschafter geben Dir den richtigen Rat, was Du in den jeweiligen Situationen machen solltest. Aber mache Dich darauf gefasst: Ohne Konflikt wird es nicht gehen! Kein Anwalt, kein Gewerkschaftsvertreter wird Dir raten, mit überladenen Fahrzeugen weiterzufahren oder das Kontrollgerät weiter zu manipulieren (z.B. Be- und  Entladezeiten als Pausen registrieren).

Ein Rat könnte sein:
Fahre zur nächsten Polizeidienststelle und informiere die Beamten, dass Du bedrängt wirst weiterzufahren, obwohl die Lenkzeiten bereits erfüllt sind oder das Fahrzeug überladen ist. Wenn keine Gefahr für Leib und Leben besteht, könnte ein anderer Rat auch sein, dem Arbeitgeber schriftlich anzukündigen, dass Du Dich ab sofort konsequent an bestehende  Vorschriften halten wirst und gegebenenfalls die Ware nicht pünktlich beim Kunden ankommt. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, sich zu wehren. Immer wird der Arbeitgeber Dir sagen: Wenn es Dir nicht passt, kannst Du ja woanders arbeiten. Bange machen gilt nicht, denn ein Kündigungsgrund liegt nicht vor, wenn Du nur deswegen nicht weiterarbeitest,  weil Du sonst gegen Vorschriften verstößt. Eine dann wegen Arbeitsverweigerung ausgesprochene Kündigung ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern verstößt auch gegen das Maßregelungsverbot des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Das liebe Geld …

Sicherlich bekommst Du wie viele andere Fahrer auch einen Pauschallohn, mit dem alle Arbeitsstunden, Überstunden, Zuschläge wie z.B. auch der Nachtzuschlag abgegolten sein sollen. Die Formulierungen ind en meisten Arbeitsverträgen sind unzulässig, denn der Pauschallohn kann nicht alle Überstunden abdecken und erst recht nicht den Nachtzuschlag.

Wenn der Arbeitgeber nicht genau formuliert – und das machen die meisten nicht, kann es im Streitfall ganz schön teuer werden für den Arbeitgeber. Aber wenn Du wissen willst, was Deine Arbeitskraft wirklich wert ist, ist es ganz wichtig, dass Du Deine Arbeitszeiten belegen kannst. Und da sind wir wieder bei den erfassten Arbeitszeiten durch das Kontrollgerät. Denn die Aufzeichnungen des Kontrollgeräts haben Beweischarakter. Wenn Du da schummelst, betrügst Du Dich spätestens dann selbst, wenn Du den Dir zustehenden Lohn einfordern willst. Die gesetzliche Regelarbeitszeit ist bei einer 5-Tage-Woche 40 Stunden bei einer 6-Tage-Woche 48 Stunden. Ein Pauschallohn ohne konkrete Formulierung, wie viele Überstunden mit dem Lohn abgegolten sein sollen, deckt nur diese Arbeitszeit ab. Das wären entweder 174 bzw. 206 Monatsstunden. Alles, was darüber hinaus geht, muss zusätzlich bezahlt werden. Findet ein Tarifvertrag Anwendung, müssen die Überstunden sogar mit Zuschlag abgegolten werden. Daneben müssen die Nachtstunden – wenn arbeitsvertraglich hierzu nichts vereinbart ist und kein Tarifvertrag Anwendung findet – ebenfalls mit einem Zuschlag vergütet werden.

Zwei Rechenbeispiele, wie Du Deinen Lohn kontrollieren kannst:

Beispiel 1: Arbeitsvertrag ohne Tarifbindung
Du hast einen Pauschallohn von 1900 € brutto vereinbart. Es ist also der Mindestlohn von 8,50 € (ab 1.1.2017 8,84 €) zu zahlen. Wenn Du nun den Pauschallohn durch 8,50 € teilst, weißt Du, dass du maximal 224 Stunden im Monat dafür arbeiten musst. Je nach Formulierung des Arbeitsvertrages (die Formulierung „mit dem Lohn sind auch alle Überstunden und zuschlagspflichten  Arbeitszeiten abgegolten“ ist wie oben beschrieben unzulässig) ist allerdings bei einer 6-Tage-Woche davon auszugehen, dass der Lohn von 1800 € brutto für 208 Stunden gezahlt wird.

Dann ergibt sich eine ganz andere Rechnung:
1900 € brutto dividiert durch die monatliche regelmäßig zulässige Arbeitszeit von 208 Stunden ergibt einen Stundenlohn von 9,13 €. Da Du aber in diesem Beispiel nicht 208 Stunden sondern 224 Stunden gearbeitet hast, sind noch 16 Stunden mit je 9,13 € zu vergüten. Dann hast Du noch Anspruch auf 146,08 € brutto. Für jede Nachtstunde zwischen 23 Uhr und 6 Uhr bei mindestens 2 Stunden in diesem Zeitraum ist zusätzlich für jede Stunde 2,28 € netto zusätzlich zu zahlen. Wer regelmäßig nachts arbeitet, kann sogar mit einem höheren Zuschlag rechnen.

Beispiel 2: Arbeitsvertrag mit Tarifbindung
Du hast einen Pauschallohn von 1900 € brutto vereinbart. Der Tariflohn ist in jedem Bundesland unterschiedlich. In diesem Beispiel gehen wir von einem fiktiven Stundenlohn von 12 € aus. In diesem Fall müsstest Du nur 159 Stunden arbeiten (1900 € geteilt durch 12 €). Tatsächlich arbeitest Du aber 224 Stunden im Monat. Der Tarifvertrag sieht für jede Überstunde einen  Zuschlag von 25% vor. Die tarifliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden in der Woche, also 174 Stunden im Monat.

Dann ergibt sich eine ganz andere Rechnung:
174 Stunden zu 12 € pro Stunde ergibt einen Lohn in Höhe von 2088 € brutto für die normale Arbeitszeit. Da Du monatlich ca. 50 Überstunden machst (224 minus 174), ist diese Zeit mit Zuschlag zu vergüten: 12 € + 25% Zuschlag = 15 €. 50 Stunden mal 15 € ergibt eine Überstundenvergütung von 750 €. Der Nachtzuschlag ist entsprechend den tariflichen Regelungen zusätzlich zu  zahlen.

Aber wendet Dein Arbeitgeber überhaupt einen Tarifvertrag an?
Das wissen wir nicht. So wie wir die Mitgliedschaft eines Fahrers in ver.di geheim halten, hält der Arbeitgeberverband geheim, welche Arbeitgeber bei ihm organisiert sind. Im Zweifel musst Du davon ausgehen, dass Dein Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. Trotzdem lohnt sich ein Blick in den Arbeitsvertrag. Oft steht darin etwas über den Tarifvertrag – auch wenn er nicht im Detail angewendet wird.

Bei Fragen und Problemen im Betrieb nicht mehr alleine sein

Wenn Du mehr Hilfe brauchst, vertreten wir Dich auch gerne direkt gegenüber Deinem Arbeitgeber. Wir schreiben Briefe oder verhandeln gemeinsam mit Dir mit Deinem Chef. Und wenn das auch nicht hilft: Notfalls verhelfen wir Dir über die  Gerichtsbarkeit zu Deinem Recht. Und das durch alle Instanzen.
Und was kostet Dich das?
Mit 1% vom regelmäßigen Bruttoeinkommen sind alle Kosten in Rechtsstreitigkeiten abgedeckt.
Beispiel: Du hast einen Pauschallohn von 2000 € brutto, eine Qualitätsprämie von 100 € und 200 € Spesen. Für den Beitrag  werden nur der Pauschallohn und die Prämie zugrundegelegt.
Mit 21 € im Monat kannst Du die folgenden Leistungen erwarten:
• jederzeit rechtliche Beratung,
• Vertretung vor den Gerichten, z.B.
• bei Ärger mit dem Chef wegen Lohnfragen, Schadensersatzansprüchen, Arbeitszeugnis, Berechnung der Lohnzahlung bei Krankheit und Urlaub, Abmahnungen usw.,
• bei Ärger mit der Berufsgenossenschaft ) z.B. bei Nichtanerkennung von Arbeitsunfällen),
• bei Ärger mit der Krankenkasse (z.B. wegen falscher Berechnung des Krankengeldes),
• bei Ärger mit der Rentenversicherung wegen Nichtgewährung von Rehamaßnahmen,
• bei berufl ich verursachten Bußgeldbescheiden oder Strafverfahren nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalles.
• Bei Arbeitslosigkeit oder Bezug von Lohnersatzleistungen zahlst Du nur 0,5 % des Arbeitslosengelds und
kannst trotzdem noch alle Leistungen von ver.di in Anspruch nehmen, z.B.:
• Klage gegen Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld,
• Überprüfung der Höhe des Arbeitslosengelds.

TIPP von uns:
Wenn Du Deinen Arbeitgeber wechselst, solltest Du uns unbedingt in Anspruch nehmen:
• Überprüfung Deines Arbeitszeugnisses des alten Arbeitgebers,
• Begutachtung des Arbeitsvertrages beim neuen Arbeitgeber, bevor Du ihn unterschreibst.
Und vielleicht wissen wir über Deinen neuen Arbeitgeber mehr und können Dir wichtige Hinweise geben.
Jedes Jahr geben wir unseren Fahrerkalender heraus mit wichtigen Tipps und einer Übersicht über die wichtigsten
gesetzlichen Grundlagen, die ein Berufskraftfahrer wissen sollte. Eine entsprechende APP für Dein Smartphone ist in
Vorbereitung.
Aber ver.di bietet noch mehr:
• Wir beraten kostenlos bei Fragen zum Mietrecht.
• Wir helfen bei Deiner Steuererklärung ohne Zusatzkosten.
• Wir haben ein umfangreiches Bildungsprogramm, an dem Du auf unsere Kosten teilnehmen kannst; für viele kannst Du auch Bildungsurlaub – also bezahlte Freistellung – bei Deinem Arbeitgeber beantragen.

Fragen zur Mitgliedschaft und weitere Informationen unter 0800 82 73 43 3

==> Zur Website: von ver.di

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