Haltepunkte

Der unbekannte Bekannte

Bedeutende Glaubenszeugnisse
aus dem Neuen Testament

Der unbekannte
Bekannte

„Eine verrückte Geschichte“, erzählte Gerd am Fernfahrertisch und schob sich eine Gabel Pommes hinter die Kiemen. „Spuck schon“, ermunterte ihn Jan, der Kollege von der Waterkant. Sie freuten sich beide, dass sie sich auf dieser Tour mal wieder auf dem Autohof in der Rhön getroffen haben. „Da stand ein Typ auf dem Zubringer“, begann nun Gerd seine Geschichte, „ein junger Kerl, er wirkte auf mich sympathisch und hatte irgendwas in seinem Blick – aber was? Er winkte und wollte  mitgenommen werden. Eigentlich nehme ich selten Anhalter mit, aber schon stand ich volle Kanne in den Eisen, hielt an und da saß er nun neben mir.“ „Na und?“, wollte Jan wissen. Aber Gerd zögerte und nahm erst einmal einen kräftigen Schluck. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, begann er nun umständlich, „sonst redet man doch vom Wetter oder von Fußball. Aber der Typ schaute mich an und fragte mich direkt, was mit mir los sei und irgendwas stimme doch nicht mit mir … “ „Den hätte ich gleich wieder an die frische Luft befördert“, meinte Jan. „Daran dachte ich zunächst auch“, fuhr Gerd fort, „aber dieser Blick, kann ich dir sagen. Kurzum: ich erzählte ihm von meiner Scheidung, und dass die Kinder der Frau zugesprochen worden sind. Dass ich jede Nacht in mich hinein heule, einmal rasend bin vor Wut und ein andermal todtraurig. Dass ich schon mit dem Gedanken gespielt habe, ich fahre einfach mal voll auf den Vordermann drauf oder ich steuere die Kiste über die Böschung, dann wär endlich Schluss.“ „Jetzt mach mal halblang“, warf Jan unruhig ein, „ich wusste gar nicht, dass es dir so beschissen geht. Und Du erzählst das einfach einem dahergelaufenen Anhalter, das versteh ich nicht.“ „Ich auch nicht“, erwiderte Gerd, „aber ich war einfach nicht mehr zu stoppen, hab mir die ganze Scheiße von der Seele gesprochen. Irgendwie spürte ich: Bei dem da ist das gut aufgehoben, der versteht mich voll.“ „Und wie bist du den Typen wieder losgeworden?“, fragte Jan. „Es war inzwischen Abend geworden.

Auf dem Autohof in Hannover entdeckte ich noch einen Stellplatz, hier wollte ich übernachten. Mein Begleiter verabschiedete sich freundlich. Da bat ich ihn, doch noch auf ein Bier mitzukommen. Er ließ sich nicht zweimal bitten. Wir haben noch miteinander gegessen und zwei Halbe getrunken. Auf einmal war er weg. Ich war traurig, aber gleichzeitig auch glücklich. Fühlte mich wie um eine Zentnerlast erleichtert. Zum ersten Mal seit Monaten, dass ich mich an diesem Abend wieder wohlgefühlt habe. Ich war irgendwie mit mir im Reinen. Das Verrückteste kommt erst noch: Als ich bezahlen wollte, war das schon erledigt. Der hatte es plötzlich eilig, meinte die Bedienung. Ehrlich – so etwas habe ich noch nie erlebt … “ Gerd nicht, aber die beiden Jünger Jesu auf dem Weg von Jerusalem hinaus in einen Flecken namens Emmaus. So nachzulesen im Evangelium des Lukas (Lk 24,13-33)

„Miteinander gehen“, sagt diese Geschichte. Die Unwägbarkeiten und Gefahren eines Wegs teilen, einander Weggefährten sein.
„Miteinander reden“, so fährt die Erzählung fort: Menschen die Zunge lupfen, damit sie sich ihren Frust von der Seele reden können.
„Beieinander bleiben“, wenn es Abend wird und wieder die Kälte und die Nacht herankriechen.
„Miteinander teilen, essen, feiern“, um dann ihn zu erkennen und das Leben neu zu begreifen.

Paul Schobel

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