Spurwechsel

Finsternis hat die Chance

Finsternis hat die Chance, hell zu werden

Seilversichert

Wenn in einer Beschreibung steht, eine Stelle ist seilversichert, dann handelt es sich weder um einen besonderen Arbeitsplatz noch um eine neue Art der Versicherung – sondern um die Beschreibung eines Wanderwegs.

Seilversichert.

Das sind in erster Linie Wege in den Bergen, an Steilhängen, abschüssigen Stellen, an Wegabschnitten, die eine gewisse Hilfestellung nötig machen, die manchen auch Angst oder ängstlich machen.

Seilversichert.

Eine Art Achtungszeichen: Hier ist deine ganze Aufmerksamkeit, dein Können, deine Vorsicht als Bergsteigerin oder Bergsteiger gefordert.

Seilversichert.

Erfahrene und engagierte Bergsteiger haben hier den Weg besser, gangbarer gemacht, haben ihre Zeit, ihr Können, ihr Material eingesetzt, damit andere besser und mit mehr Freude und Sicherheit auf bergigen, ausgesetzten Wegen unterwegs sind. Diese Seilversicherungen haben mich an Arbeitswelt und Gesellschaft erinnert: Dort werden Sicherungssysteme eher abgebaut anstatt befestigt: Zunahme von prekärer Arbeit, Verdrängung von Flächentarifen, Rückgang von Normalarbeitsverhältnissen, weniger Leistungen der Kranken- und Sozialkassen – um nur einige Beispiele zu nennen. Anstatt an gefährlichen Stellen des Lebens Halteseile, Trittstufen oder Brücken einzubauen, werden Menschen sich selbst überlassen. Wer abstürzt, ist selber schuld – hätte er besser aufgepasst oder Vorsorge getroffen.
In Zeiten von Krisen, Kurzarbeit und drohender Arbeitslosigkeit bräuchten wir mehr „Seilversicherungen“ denn je. Eine solche Seilsicherung ist für mich die Arbeit und Aufgabe von Betriebsräten: Diese übernehmen Verantwortung für Kolleginnen und Kollegen, versuchen im Betrieb, Recht einzuhalten und Gerechtigkeit einzufordern, sind oft der Rettungsanker für Kolleginnen und Kollegen, die nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll – beruflich oder privat. Deshalb sind Betriebsräte einfach unentbehrlich!

Martina Berndt-Hoffmann

Manchmal wird´s eng im Leben

Manchmal wird´s eng im Leben,
wenn Dein Geld am Ende des Monats wieder nicht reicht,
wenn Du als Leiharbeiter Dein Selbstwertgefühl verlierst,
wenn Du als engagierte Betriebsrätin schikaniert wirst,
wenn Dein Arbeitsplatz „wegoptimiert“ wird,
wenn Du die 87. Bewerbung gar nicht mehr wegschicken willst.

Manchmal wird´s eng im Leben,
wenn das Warten auf die Diagnose des Arztes nicht mehr auszuhalten ist,
wenn eine Beziehung zerbricht,
wenn Konflikte die freundlichen Worte sterben lassen,
wenn Einsamkeit an der Seele nagt,
wenn Angst Dein Ratgeber wird.
Manchmal wird´s eng im Leben.

Der Schreiber von Psalm 18 darf noch von einer anderen Erfahrung erzählen: „Er führte mich hinaus ins Weite (…) mein Gott macht meine Finsternis hell.“ Das ist leicht mal so dahergesagt.

Dass wir Menschen in dunklen Zeiten einen solchen Satz sagen können, braucht es einiges – und es braucht vor allem stilles Dasein, gute Worte, Solidarität oder hilfreiche Gesten und Taten von liebevollen Mitmenschen.

Dann wird die Nähe Gottes sichtbar und konkret, dann kann aus Enge Weite werden. Und so hat vielleicht auch meine Finsternis die Chance, hell zu werden.

Hans Gilg

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